Nach der alliierten Landung in Nordafrika besetzte die Wehrmacht im November 1942 das bis dahin vom französischen Vichy-Regime verwaltete Südfrankreich, italienische Truppen besetzten gleichzeitig die Alpenregion im südöstlichen Frankreich. Nach der Absetzung des italienischen Diktators Benito Mussolini im Juli 1943 rückten Wehrmachtverbände in die italienisch besetzten Gebiete Frankreichs ein. Befehlsstellen des Zollgrenzschutzes folgten an die ursprüngliche französisch-italienische Grenze, so verlegte die Befehlsstelle Bagnols ihren Sitz nach Gap.

barcelonnette2Schnell machte sich das Fehlen von im Hochgebirge ausgebildeten Personen bemerkbar, nachdem in Bagnols durch die eher flache Landschaft keine Verwendung dafür bestand. Der ursprüngliche Plan, die Skiausbildung vor Ort bei den Grenzaufsichtsstellen durchzuführen fand bei der Kommandostelle in Paris keine Zustimmung, stattdessen erging die Anweisung, ein ständiges Ausbildungslager einzurichten.
Die Wahl des Standortes fiel auf Le Sauze bei Barcelonnette, das gegenüber dem ebenfalls in Betracht gezogenen Montgenèvre in der Mitte des Befehlsstellenbereichs lag. Als Ausbildungsstätte diente das Ende November 1943 beschlagnahmte Chalet Hotel du Sauze, ein freistehendes Haus direkt an der Skipiste mit Platz für 40 Personen. Paris wies als Skiausbilder und Gesamtverantwortlichen Zollsekretär Bogendörfer und als Militärausbilder Zollsekretär Gawor zu. Die Schießausbildung blieb jedoch weiterhin Aufgabe der Grenzaufsichtsstellen.
barcelonnette1Der erste Lehrgang fand vom 14.12.1943 bis 02.01.1944 mit 40 Zollgrenzschützern statt und endete mit einer Besichtigung durch den Befehlsstellenleiter Regierungsrat Kirmsse und seinem Stellvertreter Oberzollinspektor Bressel. Skilauf, Exerzieren auf Skier, eine militärische Übung und der abschließende Abfahrtslauf wurden positiv beurteilt. Die Abschlussbesichtigung des zweiten Lehrganges am 28.01.44 beaufsichtigen zusätzlich sämtliche Bezirkszollkommissare des Befehlsstellenbereichs. Finanzpräsident Walter Lottner, Leiter der Kommandostelle Paris, besichtige die Abschlussprüfung des dritten Lehrgangs am 20.02.1944. Ein weiterer Lehrgang, vermutlich der 5., lässt sich vom 21.03.-02.04.1944 nachweisen. In der Folge scheint die Ausbildung zum Teil vermindert weitergeführt worden zu sein, da das zur Ausbildung vorgesehene Personal wegen der zunehmenden Partisanentätigkeit nicht immer entbehrt werden konnte.

Ab dem 06.06.1944, dem Tag der alliierten Invasion in der Normandie, traten Partisanen auch in Südfrankreich massiv auf den Plan. Ihr Ziel war, möglichst viel Unruhe und Verwirrung zu stiften sowie deutsche Einheiten zu binden, damit sie nicht in den Norden verlegt werden konnten. Gut organisiert und teils von den Alliierten mit Waffen versorgt, trafen sie die deutschen Besatzungskräfte auf dem falschen Fuß an. Gründe mögen der Abzug von kampfkräftigen Truppen an die Fronten in den Osten und nach Italien, eine Verzettelung der Kräfte auf kleine Stützpunkte sowie eine völlige Unterschätzung der Situation sein. Anzeichen gab es allerdings schon seit Januar 1944, seitdem fanden in zunehmenden Maße Anschläge auf den Zollgrenzschutz statt, seit April/Mai kam es im Gebirge vermehrt zu Schießereien mit den immer ungenierter auftretenden Partisanen und andere Organisationen wie die Wehrmacht düften ähnliche Erfahrungen gemacht haben.
Das Dilemma zwischen einer möglichst weiträumigen Überwachung der Grenze und den oft abgelegenen Stützpunkten mit einer kleinen Besatzung konnte der Zollgrenzschutz nicht lösen. Diese Struktur entsprach aber auch seinem Auftrag, denn eine militärische Befriedung oder eine polizeiliche Verfolgung der Vorkommnisse lag nicht in seinem Aufgabenbereich. Zoll-Dienststellen waren Mitte 1944 zwar durchweg verbarrikadiert und mit Stacheldraht versehen, um Überfällen stand zu halten, sie waren aber darauf angewiesen, innerhalb einer gewissen Zeit entsetzt zu werden. Eine Belagerung durch gut ausgerüstete Gegner in einem größeren Aufstandsgebiet hatte man anscheinend nirgendwo auf der Rechnung. Insofern lagen die Vorteile eindeutig beim Gegner, der in dieser Zeit seine Möglichkeiten nutzten konnte, um als Zivilist die Ziele auszukundschaften, zu warten bis Streifen und Verpflegungstransporte den Schutz ihrer Standorte verlassen hatten, bzw. um in Überzahl die dünn besetzten Standorte nacheinander einzunehmen. Die wenigen Straßen im (Hoch-)Gebirge konnten mit einer handvoll Männer gesperrt werden, die den zügig zu Hilfe eilenden deutschen Truppen hohe Verluste zufügten. .

Am 06.06. wurde OZI Bressel auf der Fahrt ins Ausbildungslager schwer verwundet. Einen Tag später wurde das Ausbildungslager überfallen, laut einem Nachkriegsbericht des zuständigen Bezirkszollkommissars, etwa 20 Jahre nach den Geschehnissen, griffen Partisanen den Lehrgang nach Verlassen des Gebäudes an. Danach sollen die Angreifer das Gebäude mittels Feuerwehrspritzen mit Benzin übergossen und angezündet haben. In der Folge kam es zu stundenlangen Feuerwechseln mit Toten und Verwundeten, einige wenige Zöllner konnten sich zu anderen Dienststellen durchschlagen, der Rest geriet in Gefangenschaft. Da Barcelonnette in einem Tal mit wenigen Zugängen liegt, konnten diese mit wenig Aufwand gesperrt werden, sodass die Entsatzversuche von Wehrmacht und Zollgrenzschutz zunächst scheiterten. Erst am 10.06. konnte eine verstärkte Wehrmachttruppe mit Unterstützung eines Panzers zum Ausbildungslager durchdringen und die Gefangenen befreien.
Ein weiterer Bericht ergibt sich aus einer Vorschlagsliste für das Eiserne Kreuz 2. Klasse an 2 bei den Kämpfen beteiligten 2 Zollsekretäre. In den Ausführungen ist von dem Brand keine Rede. Der Kampf dauerte 2 Tage mit 2 Toten und mehreren Schwerverletzten auf Seite der Zöllner. Am 3. Tag gelang zumindest einem Teil der Ausbruch, die (Schwer)Verletzten bleiben anscheinend zurück, wobei die Gruppe unterwegs getrennt wurde. Einer der beiden Zollsekretäre konnte sich trotz mehrerer Schussverletzungen zur nächstgelegenen Grenzaufsichtsstelle durchschlagen, geriet dort aber in Gefangenschaft, da die Dienststelle schon erobert war.
Unter dem 07.09.1944 finden sich auf dem Deutschen Soldatenfriedhof in Dagneux 5 Zöllner, von denen einer zweifelsfrei beim Überfall in Barcelonette starb, ein weiterer im direkten Umfeld. In der Gegend gab es weitere Stützpunkte des Zollgrenzschutzes, von denen mir aber keine Berichte bekannt sind.

Die Artikel in den französischen Tageszeitungen Le Dauphiné libéré vom 13.06.2019 und La Provence vom 10.06.2014 stellen die französische Sicht dar.
Demnach bereitete man die Befreiung der Unterpräfektur Barecelonnette schon seit Mai 1944 vor, hatte Unterstützung durch den britischen Offizier Alexander Haig und verfügte über Maschinenpistolen sowie Panzerabwehrwaffen. 70 der insgesamt etwa 250 Freischärler griffen Le Sauze vom 07.-09.06. an, während andere Gruppen weitere Ziele attackieren und die wenigen Pässe der Umgebung sperrten, sodass sich die Entsatztruppen festliefen. In den folgenden Tagen entwickelten sich harte Kämpfe um den Zugang zum Tal, wobei es auf beiden Seiten zahlreiche Tote gab. Spätestens am 13.06. waren die deutschen Truppen erfolgreich, in den folgenden Tagen soll es zu Vergeltungsmaßnahmen gekommen sein, bei denen anscheinend im 20km entfernten Ubaye 14 Geiseln erschossen und Gebäude angezündet wurden, auch mit Beteiligung des Zollgrenzschutzes von La Condamine.

Das Gebäude existiert in dieser Form nicht mehr, an seiner Stelle steht heute das Montana Chalet Hôtel. Herzlichen Dank an Claude Duronc für die Fotos.

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